Osnabrücker Patenmodell - Was ist das?
Azubis helfen Praktikanten
Azubis helfen Praktikanten
Dieser Slogan bringt den Grundgedanken des Osnabrücker Patenmodells gut zum Ausdruck. Das Betriebspraktikum soll verbessert werden, indem den Schülern oder Studenten für die Zeit des Praktikums ein Azubi als Pate zur Seite gestellt wird.
Die Patenschaft ermöglicht Kommunikation auf Augenhöhe, da der Pate als nahezu Gleichaltriger Informationen über den Beruf glaubhaft und verständlich an die Praktikanten weitergeben kann. Zudem muss er selbst noch berufliches Wissen erlernen und kann sich deshalb gut in die Praktikanten hineinversetzen.
Inhaltsübersicht
Aufgaben des Paten
Der Pate soll
- in erster Linie Ansprechpartner und Informationsquelle sein.
- seinen eigenen Arbeitsbereich vorstellen und in Absprache mit dem Ausbilder dafür sorgen, dass der Praktikant auch andere Abteilungen kennenlernen kann.
- den Praktikanten betreuen, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten prüfen und ihm soweit möglich auch kleinere Aufgaben übertragen, die er dann selbstständig oder unter Anleitung lösen kann.
- dem Praktikanten die Möglichkeit geben, am Berufsschulunterricht teilzunehmen.
- dem Praktikanten zusammen mit dem Ausbilder ein Feedback geben.
Nutzen für den Paten
Der Pate kann einem jungen Menschen wertvolle Hilfe bei seiner Berufsorientierung geben. Die Patenschaft nutzt aber nicht nur dem Praktikanten, sondern auch dem Paten:
- Er erhält durch die Patenschaft die Chance, eine neue Rolle auszuprobieren.
- Er sammelt Erfahrungen und trainiert soziale Kompetenzen wie z. B. Team- und Kommunikationsfähigkeit.
- Er reflektiert die Ausbildung und erhält ein tieferes Verständnis von seinem eigenen Ausbildungsberuf.
- Er kann sich durch sein Engagement in einem zukünftigen Bewerbungsverfahren positiv von anderen Mitbewerbern abgrenzen.
Nutzen für den Betrieb
- Die Betriebe heben sich durch die Einbindung eines Paten von anderen Praktikumsbetrieben ab und positionieren sich als zukünftiger Ausbildungsbetrieb.
- Der Azubi entlastet durch seine Tätigkeit den Ausbilder.
- Der Pate bringt neue Ideen und Ansätze bei der Gestaltung des Praktikums ein.
- Der Betrieb lernt seinen Azubi aus einer anderen Perspektive kennen.
Wie werde ich Pate im Osnabrücker Patenmodell?
Im Rahmen der Entwicklung des Osnabrücker Patenmodells wurden Patenschulungen für interessierte Azubis angeboten. Diese finden leider nicht mehr statt, aber mithilfe der entwickelten Materialien kann jeder Betrieb mit einem passenden Azubi das Osnabrücker Patenmodell anwenden und auf den jeweiligen Betrieb anpassen.
Folgende Materialien unterstützen Sie bei der Umsetzung:
... für die Azubis bzw. den Paten:
Schulungsskript für den Paten - Stand: 02/2022
Anhänge des Schulungsskripts zum Anpassen - Stand: 02/2022
... für die Praktikanten:
Links zum Thema Praktikum
DIHK-Leitfaden Schülerpraktikum
"Der DIHK-Leitfaden "Schülerpraktikum" enthält Wissenswertes über die rechtlichen Rahmenbedingungen von Praktika sowie Anregungen für deren Planung, Gestaltung und Nachbereitung. Zudem bietet er praktische Checklisten und Formulare für Unternehmen."
Ausbildungsregion Osnabrück - Betriebsdatenbank
"Finde hier einen Betrieb für dein Praktikum oder deine Ausbildung in der Region Osnabrück."
Enstehungsgeschichte
Azubis als Paten für Praktikanten - Erfolgreicher Probelauf: Osnabrücker Modell wird jetzt ständig angeboten
Osnabrück (jel) – Bei der Vergabe von Lehrstellen greifen viele Betriebe gerne auf ehemalige Schulpraktikanten zurück, weil sie ihre Fähigkeiten bereits beurteilen können – aber nicht in allen Unternehmen sind Praktikanten gerne gesehen, weil die Schüler nicht immer die Erwartungen erfüllen.
Solche Reibungsverluste auszuschließen und dafür zu sorgen, dass Betriebe das Aufnehmen von Schulpraktikanten viel mehr als bisher als gute Möglichkeit sehen, sich im Rennen um qualifizierte Bewerber einen Vorteil zu verschaffen, war das Ziel des „Osnabrücker Patenmodells“, das jetzt zwei Jahre lang als Modellversuch von den Berufsbildenden Schulen der Stadt Osnabrück am Pottgraben (BBS) durchgeführt wurde.
Die Projektleiter Bernd Krechting und Gregor Böhnke, die Lehrer an der BBS Pottgraben sind, haben in dieser Zeit quasi als Praktikumsplatz-Vermittler für junge Leute aus den Jahrgangsstufen 8 bis 10 der Bertha-von-Suttner-Realschule, des Gymnasiums „In der Wüste“ sowie der Haupt- und Realschule Bohmte fungiert.
In dem vom niedersächsischen Kulturministerium und der Friedel-&-Gisela-Bohnenkamp-Stiftung geförderten Modellversuch wurden zunächst die Interessen der Schüler abgefragt, bevor sie gezielt an solche Betriebe vermittelt wurden, in denen sie sich in Berufen erproben konnten, die ihren Neigungen und Interessen entsprachen. Clou war es dabei, dass jedem Schulpraktikanten in den Betrieben ein Auszubildender als Pate an die Seite gestellt wurde.
Dabei wurden nach den Worten von Krechting und Böhnke gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: So hätten einerseits die Schüler durch den direkten Kontakt mit ihren Paten in den Praktika mehr gelernt und tiefere Einblicke für ihre Berufswahlentscheidung gewonnen. Die Paten seien durch die Betreuung der Schüler dazu gebracht worden, sich näher mit ihren Ausbildungsinhalten zu befassen und sie mehr zu reflektieren. Gleichzeitig habe es ihre Sprachkompetenz und die Urteilsfähigkeit gestärkt. Und die Betriebe hätten viel mehr Kenntnisse über die Fähigkeiten der Praktikanten gewonnen, so dass sie besser einschätzen könnten, ob sie als Kandidaten für einen Ausbildungsplatz infrage kämen. Das könne den Zeit- und Arbeitsaufwand bei der Einstellung erheblich reduzieren.
Wie Krechting und Böhnke berichten, haben die rund 50 Betriebe, mit denen sie in dem Modellversuch zusammengearbeitet haben, durchweg positiv auf die Praktikumspatenschaften reagiert. Fast alle hätten hinterher berichtet, dass die Azubi-Paten eine ganz andere Seite von sich gezeigt hätten, sich mehr engagiert und motivierter gewirkt hätten. In den beiden Jahren seien jeweils rund 80 Praktikumspatenschaften vermittelt worden.
Die Vermittlungsarbeit sei sehr aufwendig gewesen, weil zunächst alle Betriebe einzeln angesprochen und dann Schulungen für interessierte Auszubildende durchgeführt werden mussten, berichten die Lehrer. Die meisten Betriebe, die angesprochen wurden, hätten sich beteiligt. Nur einzelne Unternehmen hätten eine Absage erteilt, zumeist weil es aus Gründen der innerbetrieblichen Organisation nicht möglich war, einem Praktikanten beim Durchlaufen der Stationen im Betrieb einen ständigen Begleiter an die Seite zu stellen.
Der Modellversuch ist jetzt mit einer Tagung zu Ende gegangen, bei der die Ergebnisse über 160 interessierten Lehrern und Ausbildern aus der Region vorgestellt wurden. Nach den Worten von Krechting und Böhnke kam die Vermittlung der Praktikumpatenschaften in den Schulen, bei den Betrieben und den Betroffenen, also den Praktikaten und Azubis, so gut an, dass sie auch künftig fortgesetzt werden soll. Dazu wird zurzeit in Zusammenarbeit mit dem Berufsinformationssystem im Landkreis Osnabrück (Binkos) eine bestehende Betriebsdatenbank im Internet um Angaben zu Praktikumspatenschaften erweitert, so dass interessierte Schulpraktikanten künftig direkt Kontakt zu Betrieben mit Paten aufnehmen oder gezielt solche Betriebe aussuchen können.
Um viele Betriebe ins Boot zu bekommen, sollen die Auszubildenden der zweiten Lehrjahre in der BBS mit einem Flyer darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie sich als Praktikumspaten engagieren können. Krechting und Böhnke glauben, dass die Betriebe bereitwillig mitziehen werden, wenn ihre Auszubildenden es anregen, sich als Paten über die eigentlichen Lehrinhalte hinaus einsetzen zu wollen. „Wir bieten in Zusammenarbeit mit der Maßarbeit regelmäßig Schulungen an, in denen wir Auszubildende auf die Anforderungen als Pate vorbereiten. Wer solch eine Schulung abschließt, erhält ein Zertifikat, das auch bei der Bewerbung nützlich ist“, sagen sie.
Krechting und Böhnke sind überzeugt, dass Betriebe, die sich mit Paten um Praktikanten bemühen, angehenden Azubis attraktiver erscheinen werden. „Weil die Jahrgänge immer kleiner werden, wird in den nächsten Jahren ein regelrechter Wettbewerb um gute Bewerber unter den Betrieben entstehen, der noch deutlich zunehmen wird. Betriebe werden sich viel mehr als bisher um Bewerber bemühen müssen. Das Patenmodell soll sie dabei unterstützen“, so die Lehrer.
Tagung Übergänge gestalten - Gelungene Berufsorientierung durch Praktika
Die Abschlusstagung des Osnabrücker Patenmodells fand im Zentrum für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück am 14. November 2013 von 10:00 - 16:00 Uhr statt.
Nähere Informationen zu der Veranstaltung können Sie dem Tagungsflyer entnehmen.
Gefördert durch:
- Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung
- Niedersächsisches Kultusministerium
Mitwirkende außerschulische Partner:
- MaßArbeit kAöR – Kommunale Arbeitsvermittlung – Landkreis Osnabrück
- Binkos - Berufsinformationen im Landkreis Osnabrück
- Fuchs Konzepte, Bramsche
Mitwirkende allgemeinbildende Schulen:
- Bertha-von-Suttner-Realschule Osnabrück
- Haupt- und Realschule Bohmte
- Gymnasium „In der Wüste“
Weitere Kooperationspartner:
- Oberschule Ankum
- Lernen vor Ort – Bildungsbüro Osnabrück
- AWO – Kreisverband in der Region Osnabrück e.V. – Servicestelle Schule-Wirtschaft
Projektträger und Ansprechpartner:
- Berufsbildenden Schulen der Stadt Osnabrück am Pottgraben
Presse
Neue Osnabrücker Zeitung vom 29.08.2011:
Auszubildende als Paten für Schüler: BBS am Pottgraben stellen ihr neues Modell vor
VLWN-Info, Heft 07/2012, S. 41-42:
Das Patenmodell der BBS am Pottgraben - Neue Wege beim Betriebspraktikum
Wissenschaftliche Begleitung
Universitäts-Professor em. Dr. Lothar Beinke (1931-2017) hatte an den Universitäten Gießen und Erfurt gelehrt und hatte die wissenschftliche Begleitung des Osnabrücker Patenmodells inne. Die Teilnehmer des Osnabrücker Patenmodells (Praktikanten, Paten und Ausbilder) wurden mit Hilfe eines standardisierten Interviewleitfadens befragt. Diese qualitativen Interviews, die zum Teil durch Fragebögen ergänzt wurden, bilden den Kern der wissenschaftlichen Arbeit.
Folgende Publikationen dokumentieren den Hintergrund, die Entwicklung, die konkrete Ausgestaltung und die Ergebnisse des Patenmodells:
- Beinke, Lothar/Frerichs, Cornelia/Szewczyk, Michael: Von der Handelsschule zum IT-Kompetenz-Zentrum, Frankfurt/Main 2007.
- Beinke, Lothar: Das Patenschaft Projekt, in: Wirtschaft & Erziehung, Heft. 7-8/2009, S. 231-235.
- Beinke, Lothar: Befragung zum Übergangsmangement und zur Abbrecherproblematik - Einleitung und Begründung der Abbrecherstudie, in: Wirtschaft & Erziehung, Heft. 5/2010, S. 142-147.
- Beinke, Lothar: Ergebnisse der Abbrecherstudie, in: Wirtschaft & Erziehung, Heft. 5/2011, S. 129-134.
- Beinke, Lothar: Ausbildungsabbruch und eine verfehlte Berufswahl, in: bwp@Spezial 5 - Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 15, hrsg. v. Jung, Eberhard/Kenner, Martin/Lambertz, Hans-Georg, S. 1-16.
- Beinke, Lothar: Abstimung zwischen Schule und Betrieben in Betriebspraktika, in: Wirtschaft & Erziehung, Heft. 5/2012, S. 158-161.
- Beinke, Lothar: Berufsorientierung - ein System, Frankfurt/Main 2012.
- Beinke, Lothar: Auszubildende als Paten, Berufsfindungsprobleme Jugendlicher, in: Wirtschaft & Erziehung, Heft 1/2013, S. 11-16.
- Beinke, Lothar: Das Osnabrücker Patenmodell - Teil 1, in: Beinke, Lothar (Hrsg.): Handbuch Übergang von der Schule in die Ausbildung, Bad Honnef 2013, S. 57-62.
- Böhnke, Gregor/Hohnstädt, Tanja/Krechting, Bernd/Teckert, Jennifer: Das Osnabrücker Patenmodell - Teil 2, Erfolgreiche Wege bei der Gestaltung des Betriebspraktikums, in: Beinke, Lothar (Hrsg.): Handbuch Übergang von der Schule in die Ausbildung, Bad Honnef 2013, S. 63-85.
- Beinke, Lothar (Hrsg.): Handbuch Übergang von der Schule in die Ausbildung, Bad Honnef 2013.