Radikalisierungsprozesse im Jugendalter - Seminar zu Perspektiven und pädagogische Interventionen

Team Politik

„Jede Pädagogik steht in ihrer politischen Gegenwart. Zu dieser muss sie sich verhalten. Das gilt heute mehr denn je. Globalisierung heißt: Die Weltlage ist im Klassenzimmer, in der Kita angekommen – mit all ihren Werte- und Kulturkonflikten und ihren ideologischen Versuchungen.“ Mit dieser Aussage leitet Kurt Edler seine Publikation „Demokratische Resilienz – Auf den Punkt gebracht“ ein und skizziert damit Herausforderung mit der sich Schulen derzeit konfrontiert sehen.

Kurt Edler war am 14. März 2017 Hauptreferent auf einer Veranstaltung zum Thema „Radikalisierung im Jugendalter“. Der ehemalige Referatsleiter am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg beschrieb vor ca. 40 Lehrkräften aus der Region Osnabrück diesbezügliche Perspektiven und umriss pädagogische Strategien sowie Interventionsoptionen.

Sollen Lehrende Radikalisierungsprozesse erfassen und deren Brisanz erkennen, wird es man nicht umhin kommen „radikal“ definitorisch zu bestimmten. Wann ist eine radikale Position mit demokratischen und freiheitlichen Werten im Einklang und ab wann wird diese Grenze, die bei uns insbesondere durch den Wertekanon des Grundgesetzes markiert wird, überschritten? Kurt Edler charakterisiert das Phänomen der Radikalisierung mit Blick auf Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit. Diese Haltung konkretisiert sich in einer Abwertung „gegnerischer“ gesellschaftlicher Gruppen und in einer Kompromisslosigkeit bei der Durchsetzung ideologischer Ziele, die mit der Bereitschaft einhergeht, die Rechte anderer zu verletzen oder gar „über Leichen zu gehen“.

Junge Menschen in der Identitätsfindungsphase sind häufig auf der Suche nach Vorbildern, Orientierungen und Sicherheiten. Radikale Weltanschauungen setzen hier an und bieten vermeintliche Antworten mit klaren Strukturen in Verbindung mit einen absoluten Wahrheitsanspruch, der nicht hinterfragt wird. Derartige Denkstrukturen lassen sich sowohl in rechts- und linksextremistischen Strömungen als auch im islamistischen Fundamentalismus finden.

Pädagogische Interventionen können vor allem auf zwei Ebenen stattfinden. Zum einen geht es um die Ebene der Prävention. Diese bezieht die gesamte Schulgemeinschaft ein und hat als Kernziel die Förderung demokratischer Handlungskompetenz um eine widerstandsfähige demokratische Identität zu herauszubilden. Zum anderen geht es auf der individuellen Ebene in der Arbeit mit konkret „gefährdeten“ jungen Menschen um eine Strategie zur Deradikalisierung, die darauf abzielt Fragen aufzuwerfen, Zweifel zu „sähen“ und ggf. ein Gegen-Narrativ zur etablieren.

Kurt Edler plädiert dafür, dass Prävention und Deradikalisierung nicht einzelnen Fächern oder Lehrkräften überlassen wird. Alle Lehrkräfte müssen über eine demokratische Grundbildung verfügen, Grundwerte verteidigen und Verfassungsrechte in ihrer Bedeutung erklären können. Darüber hinaus sollte das Schulprogramm im Sinne einer „lernenden Organisation“ Möglichkeiten der Beteiligung und Verantwortungsübernahme eröffnen um Demokratie erfahrbar zu machen. Kritik ist einer demokratischen Schule ebenso wichtig und erwünscht wie im Parlament die Opposition. Ein Grundsatz bleibt jedoch essenziell: Mit menschenrechts- und demokratiefeindlichen Tendenzen kann es keine Kompromisse geben.

Im Anschluss an den diesen Vortrag schilderte Herr Dr. Schwegel vom Landeskriminalamt die derzeitige Situation in Niedersachsen und bot gemeinsam mit seiner Kollegin Heike Ehlers die Unterstützung der Behörden im Rahmen der Präventionsarbeit, beim Aufbau eines schulinternen Krisenmanagements sowie Hilfe bei konkreten Vorfällen an.

Die Veranstaltung wurde kooperativ von der Polizei Osnabrück und der BBS am Pottgraben konzipiert und durch die Polizeidirektion Osnabrück finanziell gefördert.

Uwe Stegenwallner

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