Lossprechung der Azubis mit verkürzter Ausbildung 2017/2018

Alle Zeichen stehen auf Neuanfang an diesem Abend im Haus der Jugend. Im Publikum frische Absolventinnen und Absolventen, die in Begleitung von Familie, Freunden, Ausbildern und Lehrkräften auf den Moment hingefiebert haben, mit ihren nach verkürzter Ausbildung verliehenen Abschlusszeugnissen sich zu neuen, eigenen Zielen aufzumachen.

Über der Menschenmenge im festlich abgedunkelten Saal ein spannungsvoll aufgeladenes Gemurmel: Wiedersehensfreude mit Mitschülern/-innen und Lehrern/-innen, auf die man nach der Prüfungsphase das erste Mal trifft, hier im ungewohnten Rahmen, schick angezogen, optimistisch. Die Gesprächsfetzen reißen ab, als Pianist Nico Dreier den Saal mit kraftvollen Bluesimprovisationen am Flügel füllt.

Schulleiter Ralf Korswird erinnert die jungen Leute in seinen Begrüßungsworten an ihre Freiheit, ihre Lebenswege selbst zu wählen und ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. „Sie sind die Generation, die uns weiterbringt“, wenn diese Gestaltungsfreiheit auch genutzt werde.

„Diese Freiheit gibt es nicht überall auf der Welt. Machen Sie etwas daraus!“ Eckhard Lammers, seit Dezember 2017 stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK-Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, reflektiert als studierter Volkswirt über den Ausdruck „Humankapital“ im Zusammenhang mit Ausbildung. Mit den erworbenen Kompetenzen hätten die Absolventinnen und Absolventen einen Wissensschatz begründet, den sie lebenslang ausbauen und formen könnten. In diesem Zusammenhang bedankt sich Eckhard Lammers für das Engagement der Prüferinnen und Prüfer in den mehr als 4000 Prüfungsausschüssen, die durch ihr Ehrenamt in die Zukunftschancen der Berufsstarter und der Unternehmen investiert hätten.

Festrede von Weihbischof Johannes Wübbe

Die Grundlagen zum Brotverdienen sind erreicht, der Grundstein für die materielle Bedürfniserfüllung ist gelegt. Aber ist dies schon genug für ein erfülltes Leben? „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, zitiert Jürgen Meiners, der mit Bernd Krechting gemeinsam durch den Abend führt, die Bibel und leitet zum Festredner des Abends über, Weihbischof Johannes Wübbe. Als ehemaliger Jugendseelsorger des Bistums Osnabrück kennt er sich aus mit Aufbrüchen junger Leute in eigene Lebensentwürfe. Und beweist in seiner Rede auch ein Gespür für die aktuellen Bewegungen in der Gesellschaft. Deshalb schnürt er in seiner Festrede ein Bündel aus drei Grundhaltungen, die Langeweile und Trostlosigkeit auf dem Lebensweg vermeiden, stattdessen helfen könnten herauszufinden, was „Sie eigentlich genau anstreben, was Sie als erfüllend empfinden und als wert, es erlangen zu wollen.“ Alle drei Grundhaltungen erforderten Engagement, Interesse, Wachheit und Aufmerksamkeit, Haltungen, die die Absolventen/-innen bereits auf dem Weg zur abgeschlossenen Ausbildung bewiesen hätten.

1. Die Grundhaltung der Balance oder: Ich und Ich ist noch nicht Wir

Wie integriert man das eigene Wohl als Individuum in das große Ganze? Menschen seien erfinderisch darin, „ein neues Wir“ in modernen Gemeinschaftsformen zu gestalten, von Paarbeziehungen bis hin zu überstaatlichen Gebilden. Allerdings sei eine Gemeinschaft mehr als die Summe der Einzelleistungen der Individuen. Eine gelingende Balance zwischen „Ich“ und „Wir“ lasse sich nach christlicher Überzeugung nicht allein durch eigenen Willen der einzelnen Mitglieder „herstellen“, sondern sei auch göttliches Geschenk.

2. Die Grundhaltung des Muts für Neuanfänge oder: den Laden zusammenhalten

Wie kann man „möglichst allen angemessene Teilhabe an der Gesellschaft“ ermöglichen? „Brot und Wein“, das heißt alles Notwendige und den Überfluss, teilen. Gerade die Kirche und andere Institutionen, aber auch jeder Mensch im Kleinen, sollten den Mut haben, Neuanfänge zu wagen und das von vielen schmerzhaft erlebte „Gefühl des Nicht-Mehr-Dazugehörens“, des „Nicht-Beteiligt-Seins“ in Teilhabe zu verwandeln.

3. Die Grundhaltung der Beteiligung oder: Bereit sein, sich gegenseitig zu inspirieren

Wie können sich private Initiativen und Institutionen fruchtbar begegnen? Freiwilliges Zusammenwirken in sozialen Bewegungen, Initiativen, Interessenorganisationen prägten gegenwärtig die Gesellschaft. Viele Menschen schlössen sich für eine Zeit zusammen, um konkrete Projekte und Ziele zu erreichen. Teilweise träten diese Engagements an die Stelle dauerhafter Mitgliedschaften in Parteien, Vereinen und Gewerkschaften. Die aktiven zivilen Gruppen einerseits und die Institutionen andererseits könnten sich gegenseitig beflügeln, wenn sie sich im Blick behielten und gegenseitig Impulse voneinander aufnähmen.

Weihbischof Johannes Wübbe ist zuversichtlich, dass die Absolventinnen und Absolventen „das Erlernte einbringen werden in ihre kleine wie in die größere und die große Welt: damit Ich und Wir gut zusammengehen, möglichst niemand ausgeschlossen wird aus unserer Gesellschaft und die Projekte und Aufgaben angegangen werden, die wirklich zentral sind.“

Schülerrede von Linda Morgret

Linda Morgret, in der NOSTA Logistics GmbH ausgebildete Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistungen, tritt ans Mikrofon für die Schülerrede. Sie prüft schwungvoll mehrere Redensarten. „Nicht für die Schule, sondern für das Leben“ hätten ihre Mitschülerinnen und Mitschüler einen „Wissensschatz“ erworben, sodass Anfangsschwierigkeiten wie Praxisschock und achtstündiger Konzentrationsmarathon an Schultagen aller Mühen wert gewesen seien. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, und dürften fordernd erlebt werden. Die Verzahnung von betrieblicher Praxis und schulischer Theorievermittlung in der Ausbildung habe sie als gute Vorbereitung auf die nächsten beruflichen Schritte erlebt: Einblicke in neue Strukturen nehmen, Potenziale entwickeln, den eigenen Platz finden.

Feierliche Zeugnisübergabe

Jetzt wird es spannend: Auf der Saalbühne empfangen Eckard Lammers im Namen der IHK, und Schulleiter Ralf Korswird im Namen der BBS Pottgraben gemeinsam mit den Klassenlehrkräften nun die erfolgreichen Absolventen/-innen. Unter gebührendem Applaus erklimmt auch manches Paar Highheels letztlich sicher die hohen Stufen zur Bühne, quasi als letzte Hürde auf dem Weg zur Verleihung der IHK- und Berufsschulzeugnisse. Nun haben es alle Absolventen/-innen aus zwölf kaufmännischen Berufen schriftlich: Sie haben eine abgeschlossene Berufsausbildung erworben.

Ehrung der Schulbesten

Zu besonderen Ehren kommen die vier Schulbesten: Sport- und Fitnesskaufmann Phil Stegemerten (Gesundheits-Center Point), Kauffrau für Büromanagement Laura Hummel (ITEBO GmbH), Kauffrau für Büromanagement Anne Schellhase (Apparate- und Behälterbau Artur Scheffczik GmbH) und Informatikkaufmann Tobias Nehe (ITEBO GmbH). Die Absolventen/-innen mit diesen Traumnoten dürfen sich über eine besondere Ehrung durch die Vorsitzende des Fördervereins der BBS Pottgraben, Ursula Meyer, freuen. Im Foyer klingt der Abend bei Sekt und Gesprächen aus.

Stefanie Gerwesmann

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